Das MS-Register

Einführung

Im Jahr 2001 initiierte der Bundesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft e.V. (DMSG) die Einrichtung eines Multiple Sklerose Registers (MS-Register) für Deutschland. Hierfür wurde die MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH (MSFP) gegründet, um das MS-Register zu betreiben. 2005 ging das MS-Register in den Regelbetrieb über und wird seitdem kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt. Zuletzt wurden jährlich knapp 13.000 Patienten durch die von der DMSG ausgezeichneten Zentren erfasst, wobei auf einen Patienten im Durchschnitt zwei Konsultationen pro Jahr entfielen.

Auszeichnung für (Reha-)Kliniken und Praxen nach den Richtlinien der DMSG, Bundesverband e.V.

Die Teilnahme am MS-Register der DMSG, Bundesverband e. V. ist eine der Voraussetzungen für die Verleihung der Zertifikate „MS-Zentrum“, „MS-Schwerpunktzentrum“ und „MS-Rehabilitationszentrum“, welche von der DMSG vergeben werden. Sie werden an Universitätskliniken, Akutkliniken, Rehabilitationskliniken, MS-Ambulanzen und neurologische Praxen verliehen, sofern diese festgelegte Kriterien erfüllen, deren Einhaltung alle zwei Jahre bestätigt werden muss. Der Kriterienkatalog, der von unabhängigen MS-Experten erarbeitet wurde, setzt u. a. eine auf Leitlinien gestützte Behandlung durch auf MS spezialisierte Neurologen und Fachkräfte sowie eine barrierefreie Ausstattung der Einrichtung voraus. Von den Zentren wird je nach Zentrumsart eine Mindestanzahl von jährlich zu behandelnden MS-Patienten gefordert. Ein Teil dieser MS-Patienten muss für das MS-Register erfasst werden.
So müssen MS-Schwerpunktzentren mindestens 150, MS-Rehabilitationszentren mindestens 80 bzw. 120 und MS-Zentren mindestens 80 Datensätze pro Jahr dokumentieren. Die deutschlandweite Verteilung der Zentren ist überwiegend homogen, mit einem leichten West-Ost- sowie Süd-Nord-Gradienten und Häufungen in Ballungsgebieten. Die genaue Verteilung und Anzahl der Zentren finden sie hier

Zusätzliche Informationen finden Sie auf der Studienseite des Deutschen Registers für klinische Studien.

Aktuelle Ergebnisse aus dem MS-Register der DMSG

Im September 2024 lag der Anteil der an MS erkrankten Frauen im Vergleich zu früheren Auswertungen fast unverändert bei 70,9 %. Das Durchschnittsalter liegt bei 48 (± 12,7) Jahren, während das Durchschnittsalter bei Beginn der Erkrankung 33,3 (± 2,2) Jahre beträgt. Im Schnitt vergehen noch 1,5 (± 3,7) Jahre bis zur MS-Diagnosestellung. 74,2 % der dokumentierten MS-Erkrankten haben einen schubförmigen Verlauf (RRMS), 16,0 % einen sekundär progredienten (SPMS) und 7,1 % einen primär progredienten Verlauf (PPMS). 1,5 % hatten ein klinisch isoliertes Syndrom (KIS) und 1,2 % konnten nicht eindeutig klassifiziert werden. Der Schweregrad der Erkrankung (EDSS-Score) liegt durchschnittlich bei 3,3 (± 2,2).

Im Artikel „Disease-modifying therapy initiation patterns in multiple sclerosis in three large MS populations“, der im März 2024 im Therapeutic Advances in Neurological Disorders veröffentlicht wurde, wird der Frage nachgegangen, wie lange es dauert, bis Erkrankte aus Deutschland, den USA und dem Vereinigten Königreich nach ihrer MS-Diagnose die erste Immuntherapie erhalten. Außerdem wurde untersucht, ob bestimmte Eigenschaften, wie Alter, Geschlecht oder Schwere der Krankheit, die Zeit bis zum Behandlungsbeginn beeinflussen. Die Analyse ergab, dass sich die Zeit bis zum Beginn der Behandlung in den Ländern unterscheidet. In Deutschland starten die Menschen im Durchschnitt etwa 2 Monate nach der MS-Diagnose mit der Behandlung, während es in den USA etwa 3 Monate und im Vereinigten Königreich etwa 9 Monate dauert. 

 

Zudem zeigte sich, dass MS-Erkrankte, die nach 2017 diagnostiziert wurden, schneller mit der Behandlung begannen als jene, die vor 2017 diagnostiziert wurden. Außerdem warteten MS-Erkrankte länger, bevor sie eine Initialtherapie mit höherer Wirksamkeit erhielten. Dass die Zeit bis zum Beginn der Behandlung je nach Land variiert, könnte auf Barrieren hinweisen, die den Zugang zur Behandlung beeinträchtigen, besonders im Vereinigten Königreich. Seit 2017 hat sich jedoch die Zeit bis zum Behandlungsbeginn in allen Ländern verkürzt. Es sind weitere Studien notwendig, um herauszufinden, wie sich die Dauer bis zum Behandlungsbeginn auf den langfristigen Verlauf auswirkt und ob eine initiale Behandlung mit höherer Wirksamkeit einen Unterschied macht.

In der folgenden Auswertung, die als Grafik des Quartals* in der aktiv! Nr. 282 1/2024 erschien, werden die verschiedenen Formen der Blasenfunktionsstörungen und deren Therapie untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass 35,7 % der betrachteten MS-Erkrankten von einer Blasenfunktionsstörung betroffen sind. Am häufigsten treten bei weiblichen und männlichen MS-Erkrankten der imperative Harndrang (10,7 % bzw. 9,9 %) als einzelnes Symptom der Blasenfunktionsstörung auf. Während Inkontinenz bei den weiblichen Erkrankten signifikant häufiger auftritt (weiblich: 7,2%; männlich: 5,1%; p <0,002), zeigen männliche Erkrankte signifikant häufiger Basenentleerungsstörungen (weiblich: 6,3%; männlich: 8,3%; p <0,001). Bei 5,5 % der männlichen und 5,9 % der weiblichen Erkrankten sind zwei oder mehr Arten der Blasenfunktionsstörung dokumentiert. In einem Drittel aller Fälle berichteter Blasenfunktionsstörungen bleiben diese unbehandelt (33,3 %), unabhängig von der Art der Störung. Bei imperativem Harndrang und sonstigen Blasenfunktionsstörungen bleiben sogar mehr als ein Drittel unbehandelt (47,6 % und 33,9 %). Bei längerer Krankheitsdauer werden prozentual häufiger Blasenfunktionsstörungen verzeichnet, was bedeutet, dass bei Menschen mit MS, die für eine längere Zeit erkrankt sind, vermehrt Probleme mit ihrer Blasenfunktion auftreten können. Dies lässt sich u.a. auf die fortschreitende Schädigung des Nervensystems zurückführen. 

Insgesamt zeigt die Auswertung der deutschen MS-Registerdaten, dass Blasenfunktionsstörungen in über 10% der Fälle von Beginn an und im Laufe der Erkrankung immer häufiger auftreten. Je nach Art der Blasenfunktionsstörung ist der Anteil der Erkrankten, bei denen die Störung(en) nicht behandelt wird, mit 20-48 % auch im Vergleich zu früheren Analysen weiterhin sehr hoch.

* Seit Anfang 2020 erscheint vierteljährlich eine Auswertung aus dem MS-Register zu unterschiedlichen Themen auf www.dmsg.de

 

MS-Registerdokumentation

Für die Dokumentation der MS-Registerdaten steht seit 2014 eine webbasierte, plattform- und geräteunabhängige Forschungsdatenbank zur Verfügung. Die Forschungsdatenbank basiert auf etablierten Tools und den Konzepten der TMF e. V. für die Verbundforschung. Sie ermöglicht zudem die Anbindung von sogenannten patient reported outcomes (PRO) bspw. in Form von Lebensqualitätsdaten, die die Patienten via App oder Web selbst dokumentieren.

 

Qualitäts- & Datenmanagement

In der Forschungsdatenbank werden mittels implementierter Wertebereichs- und Plausibilitätskontrollen fehlerhafte Angaben bereits weitgehend bei der Eingabe erkannt und zurückgemeldet. Eine nachgelagerte Qualitätskontrolle in Kombination mit einem Querymanagement sichert zudem die Datenqualität.

Internationale Kooperationen

Das MS-Register beteiligt sich an der „Multiple Sclerosis Data Alliance" (MSDA). Das Hauptanliegen des Projekts ist die Implementierung eines von der EMA empfohlenen Mindestdatensatzes in möglichst viele MS-Register, um die Daten für Fragestellungen der Sicherheit und Effizienz von MS-Therapien einsetzen zu können.

Seit Beginn der Corona-Pandemie nimmt das MS-Register an der Global Data Sharing Initiative der MSDA und der MS International Federation zu COVID-19 teil. Die letzten Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass die Verwendung von Anti-CD20-Wirkstoffen (sowohl Ocrelizumab als auch Rituximab) sowie männliches Geschlecht, höheres Alter, eine progrediente MS und ein höherer Behinderungsgrad mit einem schwereren Verlauf von COVID-19 assoziiert sind. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Neurology als „Updated Results of the COVID-19 in MS Global Data Sharing Initiative” publiziert.

Unterstützer des MS-Registers

Das MS-Register der DMSG wurde seit 2001 aus den Mitteln der DMS Stiftung und der DMSG Bundesverband e. V. finanziert. Projektförderungen erhält die MSFP u. a. durch den Innovationsfonds des G-BA sowie die Deutsche Rentenversicherung (DRV Bund). Seit 2018 unterstützen im Rahmen einer Multistakeholder-Finanzierung auch Unternehmen der Pharmazeutischen Industrie das MS-Register. Durch das Sponsoring werden primär der Aufbau und Betrieb der Nebenwirkungsverfolgung unterstützt und die Auszahlung von Dokumentationspauschalen an die teilnehmenden Zentren ermöglicht. 

Im Jahr 2018 erhielt die MSFP von Novartis und Merck Serono eine finanzielle Unterstützung für den Aufbau und zur Etablierung des MS-Registers, welche u. a. zur Umsetzung der EMA-Empfehlungen eines harmonisierten Registerdatensatzes eingesetzt wurde. In 2019 schlossen sich Biogen und Celgene (Bristol Myers Squibb) dem Multistakeholder-Sponsoring an. In den Jahren 2021 und 2022 beteiligten sich die Firmen Biogen, BristolMeyerSquibb, Merck, Novartis, Roche und Sanofi mit einheitlichen Beiträgen. In 2023 wurde das MS-Register von den Firmen Biogen, Bristol Myers Squibb, Merck, Novartis Pharma und Roche unterstützt. In 2024 beteiligten sich Bristol Myers Squibb, Merck, Novartis Pharma, Roche, sowie TG Therapeutics an der Unterstützung.